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Versorgung auf dem Land: Lebensmittel per Drohne und Lastenrad

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Podcast Name: Jonaser Zeitung

In ländlichen Regionen ist es in den vergangenen Jahrzehnten wegen der Schließung vieler Geschäfte immer aufwendiger geworden, an Lebensmittel zu kommen. Vor allem Menschen ohne eigenes Auto müssen oft einigen Aufwand betreiben, um frisches Brot, Gemüse, Milch oder Käse zu kaufen. Sind für solche Regionen Lieferdrohnen eine Lösung? In zwei von Bundesministerien unterstützten Projekten soll das jetzt erforscht werden.

Mitten auf einer grünen Wiese im hessischen Odenwald steht eine Drohne. Plötzlich steigt sie senkrecht in die Höhe und saust davon – sozusagen um einkaufen zu gehen. «DrolEx» heißt das Projekt: «Drohnen-Lastenrad-Express-Belieferung», denn Lastenräder spielen eine wichtige Rolle. Sie holen die im Internet bestellten Waren im Supermarkt ab und bringen sie zur Drohne. Für die Kundinnen und Kunden heißt der Service «Liefermichel». Transportiert werden können in einem Karton bis zu 4,5 Kilogramm, allerdings keine kühlpflichtigen Produkte wie Milch oder Eis. Am Landeplatz holt ein weiteres Lastenrad den Karton ab und bringt ihn an die Haustür des Bestellers.

Eine Einkaufskiste mit Lebensmitteln steht auf einem Küchentisch. Foto: Hendrik Schmidt/dpa
Eine Einkaufskiste mit Lebensmitteln steht auf einem Küchentisch. Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Drohnen sollen bis zum 20. Dezember fliegen
Drei Ortsteile rund um Michelstadt können beliefert werden. Die Drohnen fliegen auf festgelegten Routen und werden über Mobilfunk auf Monitoren überwacht. Beteiligte sind unter anderem die Frankfurt University of Applied Sciences, der Drohnenhersteller Wingcopter, der Lebenmittelhändler Rewe und das Telekommunikationsunternehmen Vodafone. Das Pilotprojekt soll bis 20. Dezember laufen, dann sollen die Daten ausgewertet werden. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesverkehrsministerium. Für die Kundinnen und Kunden ist der Lieferservice in der Pilotphase kostenlos.

Ein ähnliches Projekt unter dem Titel «Stadt-Land-Drohne» steht im brandenburgischen Wusterhausen nordwestlich von Berlin in den Startlöchern. Auch dort soll erprobt werden, ob Transportdrohnen Bürger in abgelegenen Ortsteilen mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs versorgen können. In Wusterhausen sollen die ersten Lieferdrohnen ab dem Frühjahr 2024 fliegen. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Landwirtschaft.

«Ist so ein Liefernetzwerk wirtschaftlich?»

Der Wissenschaftler Winfried Eberhardt forscht zum Themenfeld Lebensverhältnisse und Nahversorgung in ländlichen Räumen und verfolgt die Projekte mit großem Interesse. Eberhardt arbeitet am von Thünen-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig – und hat viele Fragen: «Wie hoch sind die Lieferkosten? Ist so ein Liefernetzwerk wirtschaftlich?», fragt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Auch technische Fragen wie Reichweite und Einsatzmöglichkeiten bei ungünstiger Witterung, zum Beispiel starkem Wind müssten geklärt werden. «Die Transportbox hat außerdem nur eine begrenzte Kapazität, was keinesfalls dem Großeinkauf eines Haushalts entspricht.»

Ein Thema sei möglicherweise auch die Akzeptanz öffentlicher Drohnenflüge in der Bevölkerung: «Wie empfinden es die Menschen, wenn da jetzt durch den Ort die Drohnen fliegen?» Insgesamt sehe er bislang «mehr Herausforderungen als Chancen». «Ob es jetzt schon die Akzeptanz findet, weiß ich nicht. Aber man sollte es durchaus probieren, um Erkenntnisse zu gewinnen.»

Experte sieht Markt für Drohnenlieferungen als Premiumprodukt

Auch Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung ist skeptisch, ob Drohnen eine Nahversorgung im ländlichen Raum in großem Stil sicherstellen können. Solch ein Drohnen-Lieferservice sei extrem aufwendig und «im Massenmarkt nicht zu refinanzieren», sagte der Handelsexperte. Solche Services würden nur angenommen, wenn sie subventioniert würden. Für eine Drohnenlieferung als Premiumservice sehe er einen Markt – aber nicht zum Null-Tarif. So könne eine Drohne etwa Medikamente schnell und kontaktlos liefern.

Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein ist ebenfalls skeptisch. Lieferungen per Drohne seien hierzulande wegen der starken Reglementierung von Drohnenflügen aus Gründen der Luftraumsicherung nur sehr begrenzt möglich. Breitflächige Einsatzmöglichkeiten sieht er daher nicht.

Immer weniger Nahversorger: Alternativ-Angebote fassen Fuß

Das Grundproblem von immer weniger Geschäften auf dem Land ist derweil unstrittig. «In vielen Dörfern wird insgesamt die Infrastruktur immer weiter ausgedünnt», stellt Eberhardt fest. So sei von 1990 bis 2020 die Zahl der kleineren Läden für Lebensmittel mit bis zu 400 Quadratmetern Verkaufsfläche in Deutschland von 66 500 auf etwa 8400 zurückgegangen. Allerdings hätten in den betroffenen Orten nach der Schließung manchmal Alternativ-Angebote Fuß gefasst. So gebe es Dorf- und Bürgerläden oder mobile Angebote wie rollende Supermärkte. Zunehmend gebe es außerdem Lebensmittelautomaten.

Supermarktketten haben Lieferthema schon lange im Blick

Wie die Waren in Zukunft zum Kunden kommen oder umgekehrt beschäftigt den Lebensmittelhandel in Deutschland schon lange. «Technologische Innovationen beim Lebensmitteleinkauf sollen in erster Linie das Einkaufen erleichtern», sagt eine Sprecherin des Kölner Handelsriesen Rewe. Sie verweist auf mehrere Testprojekte des Unternehmens. So sei etwa in vier Rewe-Märkten – in Großstädten – ein autonomes Einkaufen möglich. Dabei registrieren Kameras, was registrierte Kunden aus dem Laden holen. Ein separater Bezahlvorgang an einer Kasse entfällt. Beim «Liefermichel» handelt es sich nach ihren Angaben um das erste Projekt mit Lieferdrohnen.

Deutschlands größer Lebensmittelhändler Edeka sieht sich als führender Nahversorger mit Lebensmitteln. «Wir sind traditionell im ländlichen Raum sehr präsent und sind dort mit unseren selbstständig geführten Märkten häufig der einzig verbliebene Nahversorger», betont eine Sprecherin. Die selbstständigen Edeka-Kaufleute seien tief in ihren Gemeinden verwurzelt. Viele Märkte böten schon seit Jahren lokale Lieferservices an und brächten die Einkäufe direkt nach Hause. Auch gebe es mittlerweile Edeka-Kaufleute, die Kundinnen mit Shuttle-Bussen aus benachbarten Orten abholen und nach dem Einkauf wieder nach Hause bringen.

Aldi Süd sieht in Onlinehandel kein rentables Geschäftsmodell

Zum Thema Nahversorgung in ländlichen Gebieten äußert sich der Discounter Aldi Süd zwar nicht. Eine Sprecherin verweist aber auf den aktuellen Testlauf eines fahrzeuggebundenen Frische-Lieferdienstes in drei Ruhrgebietsstädten. Eine flächendeckende Umsetzung des Konzepts sei aktuell aber nicht geplant, betont sie. «In Zeiten absoluter Preissensibilität stellen Liefergebühren beim Einkauf von Lebensmitteln für viele Menschen eine verständliche Hürde dar», nennt sie dafür als Grund. Auch sei der Onlinehandel mit Lebensmitteln in Deutschland aktuell kein rentables Geschäftsmodell. «Das liegt nicht zuletzt an den relevanten Faktoren wie Personal-, Rohstoff-, Logistikkosten sowie der durchschnittlichen Größe des Warenkorbs.»

Lidl weist zum Thema Nahversorgung darauf hin, dass in jedem Landkreis Deutschlands auf dem Festland mindestens eine Lidl-Filiale vertreten ist. Rund 80 Prozent der Filialen befänden sich in mittelgroßen Städten und ländlichen Kleinstädten. «Einen Lieferdienst für Lebensmittel bietet Lidl aktuell nicht an», erklärt eine Sprecherin. Quelle: dpa

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