Direkt zum Hauptbereich

Personalproblem bei der Bundeswehr: Zu viel Büro – zu wenig Truppe

Der Bundesrechnungshof kritisiert in den deutschen Streitkräften eine «Kopflastigkeit» und fordert vom Verteidigungsministerium «mehr Truppe» für den militärischen Kernauftrag. Deutschlands Haushaltsprüfer warnen in einem Sonderbericht zudem vor dem Risiko, dass das «Signal der unbegrenzten Verschuldungsmöglichkeiten» zu steigenden Preisen im Verteidigungsbereich führt. Die Behörde stellt fest: «Anreize für die Industrie, für gleichbleibende Leistungen nunmehr höhere Preise zu verlangen, sind aufgrund nahezu unbegrenzt verfügbarer finanzieller Mittel und einer erhöhten Nachfrage zu erwarten.»

Um die Bundeswehr als Reaktion auf die Bedrohung durch Russland wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten, war erst sogenanntes Sondervermögen im Umfang von 100 Milliarden Euro bereitgestellt worden. Dann wurde auch eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben beschlossen.

Deutsche Soldaten marschieren im litauischen Vilnius beim Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 vor Schaulustigen auf. Foto: Mindaugas Kulbis/AP/dpa

Deutsche Soldaten marschieren im litauischen Vilnius beim Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45 vor Schaulustigen auf. Foto: Mindaugas Kulbis/AP/dpa

Mit dem neuen Bericht zeigt der Bundesrechnungshof aber Handlungsbedarf auf, der nicht durch zusätzliche finanzielle Mittel aufgelöst werden kann und der damit über die Bereiche Rüstung, Infrastruktur und Betrieb hinausgeht, wie es heißt.

Ist das Personalgefüge noch in der Balance?

Die Finanzwächter fordern eine umfassende Aufgabenkritik, die aber nicht zu erkennen sei. «Verteidigungswichtiges ist von weniger Wichtigem zu trennen. Es sind noch weitreichende Veränderungen in der Organisation und beim Personal nötig, um die Bundeswehr mit mehr Truppe fit für ihren Kernauftrag zu machen», mahnt der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller.

Erste Fortschritte bei der materiellen Ausstattung der Bundeswehr und das zusätzliche Geld dürften nicht über den Handlungsbedarf bei Organisation und Personal hinwegtäuschen. Und: «Um die Bundeswehr auf Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten, ist der Personalkörper umzubauen: Weg von der derzeitigen Kopflastigkeit, hin zu mehr „Truppe".»

Im Vergleich zum Jahr 2010 standen den Streitkräften im Jahr 2024 rund 60.000 Planstellen für Soldaten weniger zur Verfügung, heißt es in dem Bericht. Dies entspreche einem Rückgang von 24 Prozent. Während die Zahl der Planstellen für die Mannschafts- und die Unteroffiziersebene im gleichen Zeitraum um 40 beziehungsweise 20 Prozent sank, stieg die Zahl der Planstellen für die Offiziers- und Stabsoffiziersebene um insgesamt 5 Prozent.

Der Anteil der Planstellen für die Offiziers- und Stabsoffiziersebene in den Streitkräften wuchs dadurch von 15 Prozent im Jahr 2010 auf 21 Prozent im Jahr 2024. «Im Ergebnis ist der militärische Personalkörper heute deutlich kopflastiger als im Jahr 2010», kritisieren die Prüfer.

Ministerium nicht verschlankt

Gleichzeitig seien in der Bundeswehr mehrere Zehntausend Dienstposten derzeit noch für Aufgaben vorgesehen, die nach der Bewertung des Verteidigungsministeriums im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung nicht wahrgenommen werden müssen. Die Prüfer stellen fest: «Diese Größenordnung ist nicht hinnehmbar.»

Der Bundesrechnungshof hat auch das Ministerium selbst in den Blick genommen, das – anders als angekündigt und zwischenzeitlich erreicht – nicht schlanker wurde. 2017 seien rund 2.500 Dienstposten als «auskömmliche Personalausstattung» festgestellt worden. Trotzdem sei das Haus mit rund 3.000 Dienstposten heute wieder vergleichbar groß wie im Jahr 2012.

Kritisiert wird auch das «Dotierungsgefüge des militärischen Personalkörpers», bei dem Aufgaben immer Dienstgrad-höheren oder besser bezahlten Soldaten zugewiesen werden, um die Attraktivität dieser Stellen zu steigern. Trotzdem blieben viele Planstellen unbesetzt. Eine gestiegene Zahl von Berufssoldaten sorge insgesamt für einen erhöhten Altersdurchschnitt.

Prüfer kritisieren Verschuldungspläne

Der Bundesrechnungshof sieht auch die neuen Verschuldungsmöglichkeiten kritisch und stellt fest: «Eine dauerhafte und solide Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist durch einen erheblich schuldenfinanzierten und damit strukturell nicht tragfähigen Haushalt nicht garantiert.»

Sie liefern auch aktuelle Zahlen zu den Verteidigungsausgaben. Nach der Frühjahrsprojektion 2025 der Bundesregierung entsprächen zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2028 Ausgaben in Höhe von 96 Milliarden Euro. Drei Prozent des BIP wären Ausgaben in Höhe von 144 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Der bisherige Haushaltsentwurf 2025 sieht für den Verteidigungsetat (Einzelplan 14) Ausgaben von 53,3 Milliarden Euro vor. Aus dem Sondervermögen sollen nach dem bisherigen Entwurf des Wirtschaftsplans 22 Milliarden Euro für das Jahr 2025 hinzukommen.

Keine «verteidigungsfremden» Ausgaben

Bei der künftigen Haushaltsaufstellung müsse darauf geachtet werden, dass der Einzelplan 14 nicht um «verteidigungsfremde» Ausgaben erweitert wird, fordert der Bundesrechnungshof. Diese Ausgaben hätten keinen oder nur einen mittelbaren Bezug zur Verteidigungsfähigkeit. Beispielsweise liege der Hauptzweck einer Autobahnbrücke, auch wenn über sie Militärtransporte rollen können, nicht in der Verteidigungsfähigkeit. Quelle: dpa









JZ-App
Vorlesen lassen

Kommentare

Beliebte Beiträge

iOS 26: Apple öffnet Carplay für Videoinhalte

Nach einem Jahrzehnt strikter Beschränkungen öffnet  Apple   Carplay  in iOS 26 erstmals für Videoinhalte. Die Entwicklerdoku deutet darauf hin, dass die Funktion auf der Airplay-Technik basiert, um Videos von kompatiblen iPhone-Apps direkt auf Carplay-Displays zu streamen. Laut der Dokumentation würde die Videofunktion nur funktionieren, wenn das Fahrzeug geparkt ist. Apple gibt an, dass die Airplay-Videointegration  "es den Nutzern ermöglichen würde, ihre Lieblingsvideos vom iPhone direkt auf ihrem Carplay-Display anzusehen, wenn sie nicht fahren" . In der Automobilindustrie ist es üblich, dass Videoinhalte während der Fahrt deaktiviert werden, sofern sie sonst vom Fahrer einsehbar wären. Umsetzung von Unterstützung der Autohersteller abhängig Die Verfügbarkeit von Videostreaming über Carplay-Systeme kann je nach Fahrzeughersteller variieren. Die Dokumentation Apples weist darauf hin, dass Hersteller entscheiden können, ob sie die Airplay-Videofunktion in ihren Car...

Bombendrohung zwingt Lufthansa-Flieger zur Umkehr

Ein Flugzeug der Lufthansa auf dem Weg von Frankfurt am Main nach Indien hat nach Angaben der Bundespolizei wegen einer Bombendrohung seine Reise abgebrochen und ist umgekehrt. Die Bundespolizei bestätigte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage die Bombendrohung vom Sonntagabend. Die Information dazu habe sie von der Konzernsicherheit der Lufthansa erhalten. Zuerst berichteten mehrere andere Medien. Ein Passagierflugzeug der Lufthansa ist vor der Frankfurter Skyline im Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen. Foto: Arne Dedert/dpa Flugzeug sicher gelandet Den Angaben zufolge landete die Maschine gegen 18.30 Uhr ohne Zwischenfälle wieder am Flughafen der Mainmetropole, nachdem sie über bulgarischem Luftraum umgekehrt war. «Die Landung in Indien wurde aufgrund der Bombendrohung nicht freigegeben, also musste das Flugzeug umkehren», erklärte ein Bundespolizei-Sprecher. Auch die Lufthansa bestätigte, dass Flug LH752 nach Frankfurt zurückkehren musste. «Uns sind Spekulationen ü...

So viel Strom verbraucht eine ChatGPT-Anfrage

Eine Anfrage bei der KI-Software ChatGPT verbraucht nach Angaben der Entwicklerfirma OpenAI so viel Strom wie gut eine Sekunde Backofen-Betrieb. Der Wasserverbrauch pro Anfrage liege bei einem Fünfzehntel eines Teelöffels, schrieb OpenAI-Chef Sam Altman in einem Blogeintrag. Seit Jahren gibt es Warnungen von einem eskalierendem Strombedarf bei breiterer Nutzung von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz. Auch wenn einzelne Nachfragen dank Effizienz-Gewinnen bei der Chip- und Servertechnik tatsächlich immer weniger Energie benötigen dürften,  sorgt die Masse der Nutzung immer noch für einen sprunghaften Anstieg des Strombedarfs für KI-Rechenzentren. «Welcome to OpenAI» steht auf der Homepage von ChatGPT. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa Unter anderem Microsoft, Google und Amazon wollen in den USA auf Kernenergie setzen. Das soll dazu beitragen, den Energiebedarf zu decken, ohne den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids entsprechend zu erhöhen. Da die Rechenzentren ge...

Umfrage: Jedes siebte Unternehmen von Hackern angegriffen

Etwa jedes siebte Unternehmen ist einer Umfrage zufolge in den vergangenen zwölf Monaten von einem Cyberangriff betroffen gewesen. Wie eine repräsentative Befragung des Tüv-Verbands ergab, berichteten 15 Prozent der Betriebe mit 10 oder mehr Mitarbeitern von mindestens einem IT-Sicherheitsvorfall.  Im Vergleich zur Befragung vor zwei Jahren sei der Anteil erfolgreich gehackter Unternehmen um vier Prozentpunkte gestiegen , teilte der Verband in Berlin mit. Ein Mann sitzt am Rechner und tippt auf einer Tastatur. Symbolfoto: Nicolas Armer/dpa Der Mehrheit der betroffenen Unternehmen entstand nach eigenen Angaben aber kein Schaden. Einige verzeichneten einen geringfügigen, nur sehr wenige einen schweren oder gar existenzbedrohenden Schaden. Systemausfall, Datenklau und Erpressung  «Die deutsche Wirtschaft steht im Fadenkreuz staatlicher und krimineller Hacker, die sensible Daten erbeuten, Geld erpressen oder wichtige Versorgungsstrukturen sabotieren w...

Iran: Atomgespräche mit USA «sinnlos»

Irans Regierung sieht nach dem israelischen Großangriff keinen Sinn mehr in den Atomverhandlungen mit den USA. Man könne nicht behaupten, verhandeln zu wollen, und zugleich Israel gestatten, die territoriale Integrität Irans zu verletzen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baghai laut der Nachrichtenagentur Tasnim mit Blick auf die USA. Es sei stets Wunsch «des zionistischen Regimes» (Israel) gewesen, den Westen in Schwierigkeiten zu bringen, sagte Baghai weiter. «Und es scheint, dass es diesmal wieder erfolgreich war, den diplomatischen Prozess zu beeinflussen.» Ismail Baghai, Sprecher des iranischen Außenministeriums, nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: Shadati)/XinHua/dpa Seit rund zwei Monaten verhandelten Washington und Teheran über das umstrittene Atomprogramm – zuletzt jedoch ohne Fortschritte. Für Sonntag war eigentlich eine neue Gesprächsrunde angesetzt. Auch nach Ausbruch des Kriegs äußerte sich Irans Außenminister, der die Verhandlungen für Teheran führt, bislang...