So richtig fit fühlen sich im Winter wohl die wenigsten. Kein Wunder, sagen Mediziner, schließlich fallen wir mit Beginn der kalten Jahreszeit in eine Art "Winterschlaf light". Die Folgen sind nicht zu unterschätzen.
Einmal blinzeln und schon ist der Tag wieder vorbei: So kommt es uns in der kalten, dunklen Jahreszeit häufig vor. Dazwischen fühlen wir uns müde, ermattet, antriebslos. Und je mehr auch das Jahr gen Ende steuert und die Zeit für eine Bilanz gekommen ist, desto nachdenklicher und melancholischer werden wir - der "Winterblues" hat uns im Griff. "Das kennt so gut wie jeder", sagt die Psychologin und stellvertretende Geschäftsführerin der Deutschen Depressionshilfe, Ines Keita. Kein Grund zur Sorge also - anders als bei einer Winterdepression.
"Eine Winterdepression ist eine saisonal abhängige Depression, die, im Gegensatz zu einem Winterblues, einer Behandlung bedarf", erklärt Keita. Zwar mögen die Symptome ähnlich sein, doch sind sie bei einer Winterdepression wesentlich stärker ausgeprägt und treten nicht nur tageweise, sondern anhaltend auf. "Bei einem Winterblues können wir uns trotzdem noch an vielen Dingen erfreuen, beispielsweise einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt."
An einer Winterdepression Erkrankte verspüren dagegen kaum mehr Freude, sie fühlen sich hoffnungslos und leer und ziehen sich infolgedessen sozial zurück. Die einzigen Unterschiede zwischen einer Winterdepression und "klassischen" Depression sind Keita zufolge - neben der Saisonalität - ein erhöhter Kalorienbedarf und vermehrter Schlaf. "Das ist eher atypisch für eine Depression, die in der Regel mit Appetitlosigkeit und Schlafstörungen einhergeht."
"Winterschlaf light"
Nach Schätzungen der Deutschen Depressionshilfe erkranken etwa ein bis zwei Prozent der Menschen in Deutschland an einer Winterdepression, die sich erst dann sicher diagnostizieren lässt, wenn sie wiederholt in den kalten und dunklen Monaten auftritt. Die Ursachen für eine Winterdepression sind komplex und noch nicht final erforscht. Eine erhebliche Rolle dürfte aber Lichtmangel spielen, denn dieser bringt unsere innere Uhr aus dem Takt.
Dieter Kunz, Schlaf- und Chronomediziner am Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin, glaubt, dass der Mensch mit Beginn der kalten Jahreszeit in einen Energiesparmodus schaltet, das heißt in eine Art "Winterschlaf light" fällt. "Das war schon immer so, auch bei unseren Vorfahren, die sich, um Energie zu sparen, in ihre Höhlen zurückgezogen haben, sobald es draußen kalt und dunkel war." Ab dann lebten sie von ihren Energiespeichern - und daran habe sich bis heute nichts geändert; auch wir passten uns den Licht- und Temperaturverhältnissen an, indem wir unsere Physiologie runterfahren.
Eine Stunde mehr Schlaf im Winter
"Wir funktionieren im Sommer und im Winter messbar anders, ob wir dies merken oder nicht", erklärt Kunz. Dass wir tatsächlich mehr Schlaf in der kalten Jahreszeit brauchen, legen neueste Erkenntnisse nahe. Gemeinsam mit seinem Forscherteam hat Kunz herausgefunden, wie sich unser Schlaf innerhalb eines Jahres verändert. Das Ergebnis: "Erwachsene Menschen in Berlin schlafen im Winter im Schnitt eine Stunde mehr als im Sommer." Der zur Regeneration wichtige Tiefschlaf sei dabei 30 Minuten länger.
Nicht bei allen Menschen, die ab dem Herbst in den Energiesparmodus wechseln, reichen die Reserven aber den gesamten Winter über aus. "Sobald die Speicher aufgebraucht sind, brechen wir zusammen - und entwickeln eine Winterdepression", sagt Kunz. Bei den meisten sei das erst im Februar oder März der Fall. Die Lösung? "Vorbeugen, also den Winterschlaf verkürzen, indem der Sommer ausgeweitet wird."
Die Lösung: Mehr Licht
Um Sonne zu tanken und den Energiespeicher zu füllen, muss man nicht gleich vier Wochen in den Süden reisen. Viel Tageslicht im Herbst dürfte die bequemere und günstigere Alternative sein. "Sobald der Tag beginnt, sollte man versuchen, alles an natürlichem Licht abzubekommen, was man kriegen kann, da helfen selbst graue Tage", rät Kunz. Wichtig dabei: immer wieder in den Himmel gucken. Wer den ganzen Tag im Büro oder Homeoffice verbringen muss, kann Abhilfe mit einer Tageslichtlampe schaffen. Sie sollte eine Stärke von mindestens 10.000 Lux schaffen und täglich für 30 bis 60 Minuten im Einsatz sein, idealerweise direkt am Morgen. Auch hierbei gilt: regelmäßig in die Lichtquelle schauen.
Eine Lichttherapie wird oftmals auch zur Behandlung einer Winterdepression empfohlen - meist als unterstützende Maßnahme. Wie generell bei einer Depression können zudem eine Psychotherapie und, je nach Schwere der Symptome, Medikamente verschrieben werden, sagt die Psychologin Keita. "Wer glaubt, erkrankt zu sein, sollte sich professionelle Hilfe suchen und nicht auf Besserung im Frühjahr hoffen. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt." Das ist auch wichtig, um abzuklären, ob es sich tatsächlich um eine saisonal abhängige Depression, also eine Winterdepression, handelt - und nicht etwa doch um eine "klassische" Depression, an der Betroffene zufällig im Herbst oder Winter erkrankt sind. Quelle:tagesschau
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