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Warum das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte

In der Messe Erfurt ist die Welt für Sahra Wagenknecht noch in Ordnung. Eine Band spielt beim Thüringer Wahlkampfstopp der BSW-Chefin, das Publikum ist begeistert, auch wenn der Saal nicht ganz voll ist. Frieden sei das Wichtigste, sagt eine Frau Mitte 60 im rosa Mantel und schwarzen Pullover. Und von Frieden spricht auch Wagenknecht auf der Bühne. «Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Land mental immer mehr auf Krieg eingestellt wird», ruft die 55-Jährige. Der Satz geht fast unter im Applaus.

Bundesweit allerdings läuft es eine gute Woche vor der Bundestagswahl nicht mehr rund für das Bündnis Sahra Wagenknecht. Mit Umfragewerten von 4 bis 5,5 Prozent sieht es knapp aus für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Und ein Scheitern am 23. Februar, so hat es Wagenknecht nun mehrfach angedeutet, wäre voraussichtlich auch das Ende ihrer politischen Laufbahn.

Sahra Wagenknecht, Bundesvorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung des BSW Sachsen in der Messe Dresden. Archivfoto: Robert Michael/dpa

Sahra Wagenknecht, Bundesvorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung des BSW Sachsen in der Messe Dresden. Archivfoto: Robert Michael/dpa

«Die Wahl ist auch eine Abstimmung über meine politische Zukunft», bekräftigt sie zuletzt im ARD-Hörfunk. Auf die Nachfrage, ob das ihr Karriereende wäre: «Objektiv ist es das, weil man ohne Bundestagsmandat nicht mehr gehört wird. Aber ich denke über diesen Fall gar nicht nach, weil ich sehr zuversichtlich bin, dass wir oberhalb von fünf Prozent landen.»

Shooting Star 2024 – Was ist passiert?

Noch bei der Europawahl im Juni schaffte die neue Partei der früheren Linken aus dem Stand bundesweit 6,2 Prozent. Bei der Landtagswahl in Thüringen waren es sogar 15,8 Prozent, in Brandenburg 13,5 und in Sachsen 11,8 Prozent der Stimmen. In Thüringen und Brandenburg regiert das BSW mit. Könnte das BSW ohne Wagenknecht überleben? Wie geht es für die Landesregierungen im Fall einer Klatsche im Bund weiter? Und was ist eigentlich passiert?

«Uns bläst der Wind ins Gesicht», sagt Wagenknecht in Erfurt. «Sie wollen uns loswerden.» Die BSW-Gründerin zweifelt an den Umfrageinstituten. «Natürlich wird mit Umfragen schon auch Politik gemacht», sagt sie in dem ARD-Interview. «Natürlich, wenn man eine Partei auf vier Prozent setzt – das ZDF hatte uns kurzzeitig sogar mal auf drei Prozent – ist das das Signal an die Wähler: Die braucht ihr nicht wählen, verschenkte Stimme.»

Wähler entscheiden strategisch

Eine Studie der Universität Potsdam bestätigt, dass Wählerinnen und Wähler strategische Entscheidungen treffen – sie wollen mit ihrer Stimme etwas bewirken. «Bewegen sich Parteien kurz vor der Wahl unterhalb der Sperrklausel, etwa bei 4,5 Prozent, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit, am Wahltag in das Parlament einzuziehen, um durchschnittlich 45 Prozentpunkte im Vergleich zu Parteien knapp oberhalb der Sperrklausel», schreiben die Autoren. Wagenknecht hat also offenbar Grund zur Sorge.

Die Parteigründerin vermutet darüber hinaus «eine spürbare Blockade in den Mainstream-Medien» und unfaire Berichterstattung über das BSW. «Die alten Parteien bekämpfen uns», sagt sie vor einigen Tagen der dpa. «Wir sind unbequem und wollen Veränderungen. Das wird kleingeschrieben.»

Parteiaustritte und Ärger

Eigene Probleme spricht sie seltener an. Da ist der Streit mit zwei Hamburger BSW-Mitgliedern, die gegen den Willen der Parteispitze einen eigenen Landesverband gegründet haben. Da ist der Austritt des BSW-Europaabgeordneten Friedrich Pürner, der zum Abschied eine «Kultur des Misstrauens und der Überwachung» in der Partei beklagt.

Und da sind die Austritte von bayerischen BSW-Leuten aus Protest gegen die gemeinsame Abstimmung mit Union und AfD über das «Zustrombegrenzungsgesetz» im Bundestag. Deswegen hat Bayerns BSW-Landeschef Klaus Ernst auch Ärger mit seiner Gewerkschaft, der IG Metall.

Wagenknechts sehr strikte Migrationspolitik trifft bei einigen in der Partei auf Unbehagen. Dafür ist ihr Topthema Ukraine-Frieden und Verständigung mit Russland nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump auf die internationale Bühne entrückt. Beides scheint zu bedeuten: Wagenknechts Mobilisierungsmotor stottert. Gleichzeitig meldet ihre Ex-Partei Linke einen Aufschwung in den Umfragen und einen Mitgliederrekord.

Nervosität in den Ländern

Nervosität ist auch in den Ländern spürbar. In Thüringen äußert Co-Landeschefin Katja Wolf zwar Zuversicht, dass es bei der Bundestagswahl für das BSW klappt. Zur Frage, was es bedeuten würde, wenn Wagenknecht aufhöre, sagt Wolf: «Die Frage stellt sich aus meiner Sicht nicht.»

Ihr Kollege Tilo Kummer aus dem BSW-Landesvorstand, der Landesumweltminister, ist weniger zurückhaltend. Es wäre eine «richtig schwierige Situation» und eine «zentrale Schwächung der Partei», sollte der Sprung in den Bundestag nicht gelingen, sagt Kummer. Und zur Frage eines Rückzugs von Wagenknecht: «Klar ist Sahra Wagenknecht auch Symbol unserer Partei.» Es sei «ganz zentral, dass sie weiter der Partei zur Verfügung» stehe.

In Brandenburg regiert das BSW seit Dezember mit der SPD. BSW-Landeschef Robert Crumbach, der auch Vize-Regierungschef ist, zeigt sich «sehr, sehr zuversichtlich». «Das BSW wird im nächsten Bundestag vertreten sein», sagt er der dpa. Und wenn doch nicht? «Das Wahlergebnis der Bundestagswahl hat keinerlei Einfluss auf unsere Arbeit in der Landesregierung und im Landtag.» Schon in der Regierungsbildung legte das BSW in Brandenburg Wert auf Eigenständigkeit gegenüber der Partei im Bund – auch wenn es eine enge Zusammenarbeit gab.

«Aus vollem Herzen in die Politik gegangen»

Bei der Parteigründung Anfang Januar 2024 kündigten Wagenknecht und ihre Mitstreiter an, das BSW wolle sich für die nächsten 30 bis 40 Jahre als «Volkspartei» in Deutschland etablieren und die Politik grundlegend verändern. Ist es denkbar, dass dem Projekt schon nach einem Jahr die Puste ausgeht?

«Ich bin aus vollem Herzen in die Politik gegangen, weil ich etwas bewegen will, und habe ja deshalb auch die Partei gegründet», sagt Wagenknecht in einem Interview der «Bunten». «Aber manchmal hat man das Gefühl, man kämpft gegen Windmühlen, die anderen sind einfach mächtiger.» In solchen Momenten fange ihr Ehemann Oskar Lafontaine sie auf und gebe ihr Kraft. Quelle: dpa









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