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DocMorris kündigt sofortige Boni nach BGH-Urteil an

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat entschieden: Versandapotheken aus dem EU-Ausland durften deutschen Kunden vor mehr als zehn Jahren Bonusprämien auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren. Die bis Ende 2020 geltenden deutschen Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung seien für diese Apotheken nicht anzuwenden gewesen.

Die Richter begründeten ihr Urteil mit der EU-Warenverkehrsfreiheit. Die deutschen Preisbindungsregeln hätten gegen diese fundamentale EU-Regel verstoßen. Der erste Zivilsenat sah daher keinen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

DocMorris kündigt sofortige Boni an

Das Unternehmen DocMorris reagierte umgehend auf das Urteil. Dessen Tochter Tanimis Pharma war in dem Fall betroffen gewesen. Konzernchef Walter Hess kündigte an, Kunden ab sofort wieder einen finanziellen Bonus zu gewähren.

«Wir haben unseren Kunden stets Rezept-Boni zu unseren Lasten gewährt und werden dies nun auch wieder tun», sagte Hess laut Mitteilung. Die durchschnittliche Zuzahlung von Patienten pro Packung habe sich seit 2019 um zehn Prozent auf 3,30 Euro erhöht. «Der Bonus reduziert diese Belastung.»

BGH orientiert sich an EuGH-Maßstäben


Das Urteil des ersten Zivilsenats bezieht sich konkret auf Regelungen des Arzneimittelgesetzes in einer bis 14. Dezember 2020 gültigen Fassung. Der BGH setzte Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an. Dieser hatte für Maßnahmen, die wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung wirken, Hürden aufgestellt.

Eine Neuregelung im Sozialgesetzbuch beziehe sich nur noch auf gesetzlich Versicherte, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Da keine Wiederholungsgefahr bestehe, sei die Klage abzuweisen, erklärte Koch.

Apothekerverbände bedauern Entscheidung

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bedauerte das Urteil. «Vorbehaltlich der Prüfung der schriftlichen Entscheidungsgründe gehen wir aber davon aus, dass es bei der durch das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz eingeführten sozialrechtlichen Preisbindung bleibt», teilte ABDA-Präsident Thomas Preis mit.

«Im Fünften Sozialgesetzbuch ist die Preisbindung gesetzlich festgelegt.» Sollte die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Zweifel gezogen werden, wäre die Politik gefordert, schnellstmöglich Lösungen mit den Verbänden zu erarbeiten.

Konkrete Boni aus dem Jahr 2012

Der konkrete Fall stammte aus dem Jahr 2012. Die niederländische Versandapotheke Tanimis Pharma hatte Kunden beim Einlösen eines Rezepts einen Bonus von drei Euro pro Medikament versprochen - bei höchstens neun Euro pro Rezept.

Zusätzliche Prämien gab es für Menschen, die per Formular oder Telefonat an einem Arzneimittelcheck teilnahmen. Der Bayerische Apothekerverband sah darin einen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht und die Arzneimittelpreisbindung und klagte.

Vorinstanzen hatten anders entschieden

In den Vorinstanzen in München hatte der Bayerische Apothekerverband damit noch Erfolg gehabt. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte entschieden, die Preisbindung sei nicht unionsrechtswidrig und der Klage stattgegeben.

Der Gesetzgeber habe davon ausgehen können, dass die Regelung ein geeignetes Mittel sei, um die Arzneimittelversorgung in Deutschland zu sichern. Diese Einschätzung teilte der BGH jedoch nicht.

Preisbindung soll Apotheken schützen

Für verschreibungspflichtige Medikamente ist die Preisbildung gesetzlich geregelt - anders als bei rezeptfreien Arzneimitteln. Der Grundgedanke: Die betroffenen Medikamente sollen in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden.

Das solle die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die Patienten vor einer Übervorteilung schützen, erklären die Apothekerverbände. Umstritten war seit Jahren, ob die Preisbindung auch für Versandapotheken im EU-Ausland gilt.

Fehlende Belege für Gefährdung

Der BGH verwies auf Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Kläger habe keine ausreichenden Daten oder andere «harte Fakten» vorgelegt, erläuterte Richter Koch.

Es fehle der Beleg, dass ohne die Arzneimittelpreisbindung eine flächendeckende Arzneimittelversorgung nicht aufrechterhalten werden könne und deshalb die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sei. Da der Senat keinen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sah, komme es auch nicht darauf an, ob die gewährten Boni gegen eine inzwischen in Kraft getretene Neuregelung im Sozialgesetzbuch verstoßen. (Az. I ZR 74/24) Quelle: dpa







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