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Mindestlohn von 15 Euro: Das wären die Folgen

Millionen Beschäftigte mit sehr schmalem Einkommen könnten ab kommendem Jahr besser verdienen. CDU/CSU und SPD erwähnen in ihrem Sondierungspapier einen möglichen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026. Die Kehrseite: Verbraucher müssen sich womöglich darauf einstellen, dass ein Haarschnitt oder ein Restaurantbesuch deshalb teurer werden könnte. Noch ist aber nichts endgültig entschieden.

Wieso soll der Mindestlohn erhöht werden?

Im Wahlkampf hat sich SPD-Kanzler Olaf Scholz für die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit 12,82 Euro pro Stunde auf 15 Euro ausgesprochen. Grüne, Linke und BSW hatten die Zielmarke in ihren Wahlprogrammen, die Gewerkschaften sind ebenfalls dafür. Ihr Argument: Die jüngsten Erhöhungen dieser gesetzlichen Lohnuntergrenze seien zu gering ausgefallen im Vergleich zur zeitweise sehr hohen Teuerung.

Euro-Geldscheine bilden die Summe von 15 Euro. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Euro-Geldscheine bilden die Summe von 15 Euro. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Zudem verfehle Deutschland die Vorgaben einer EU-Richtlinie. Demnach soll der Mindestlohn nicht weniger als 60 Prozent des sogenannten Medianlohns eines Landes sein – das ist eine statistische Rechengröße, auch «mittlerer» Lohn genannt. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung rechnet vor, der Mindestlohn müsste nach diesen EU-Vorgaben schon jetzt bei 15,12 Euro liegen.

Wie viele Menschen würden von 15 Euro Mindestlohn profitieren?

In rund 9,5 Millionen Jobs lag der Stundenlohn im April 2024 unter 15 Euro – das sind die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts auf eine Anfrage der Linken. Betroffen ist somit bundesweit etwa jeder vierte Job. Jobs in der Gastronomie wurden zu fast drei Vierteln mit unter 15 Euro pro Stunde entlohnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht von insgesamt sechs Millionen Menschen mit Mindestlohn aus.

Wie wird der Mindestlohn festgelegt?

Zuständig ist die sogenannte Mindestlohnkommission der Bundesregierung. Neben der Vorsitzenden Christiane Schoenefeld und zwei Wissenschaftlern sind jeweils drei Mitglieder der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite vertreten. Ziel ist, dass sich die Tarifpartner einig werden und nicht die Regierung entscheidet. Zuletzt wurde die Arbeitnehmerseite allerdings überstimmt.

Union und SPD setzen darauf, dass die Kommission für die Jahre 2026 und 2027 wieder einen Konsens findet. Eine Empfehlung ist bis 30. Juni fällig. Im Sondierungspapier heißt es: «Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.»

Was bedeutet ein Mindestlohn von 15 Euro für die Beschäftigten?

Der DGB rechnet vor, dass ledige vollzeitbeschäftigte Mindestlohnbeschäftigte bei einer Erhöhung auf 15 Euro rund 2700 Euro netto im Jahr mehr hätten als jetzt. Die Folge sei: Die Menschen könnten mehr ausgeben und so die Wirtschaft in Deutschland ankurbeln. Und: «Bei rund sechs Millionen Mindestlohn-Beschäftigten kann das gut sechs Milliarden Euro jährlich durch direkte Mehreinnahmen bei der Einkommenssteuer bedeuten», sagt DGB-Vorstand Stefan Körzell. «Auch die Sozialversicherungen würden von insgesamt höheren Löhnen profitieren.»

Was sagen die Arbeitgeber?

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wehrt sich. Die Kommission berücksichtige in einer Gesamtabwägung auch die Auswirkungen auf die Preise und die Beschäftigung. «Die Arbeitgeber werden in der Mindestlohnkommission darauf achten, dass eine Lohn-Preis-Spirale verhindert wird», erklärt der Verband. Politische Vorgaben seien eine unzulässige Einmischung in die Arbeit der Kommission.

Branchenverbände schlagen Alarm. «Die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro bedeutet für viele Friseurunternehmerinnen und -unternehmer eine Kostenlawine, die nicht mehr zu bewältigen ist», so Manuela Härtelt-Dören, Präsidentin des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. Im schlimmsten Fall drohe ein massives Salonsterben, das viele Arbeitsplätze vernichten würde.

Noch drastischer wird es in einem der dpa vorliegenden Brief des Taxi- und Mietwagenverbands an die Unions-Bundestagsabgeordneten, in dem es heißt: «Ein flächendeckender Mindestlohn von 15 Euro würde wie ein Todesturbo das Taxisterben noch beschleunigen.»

Welche Folgen hätte das für Kunden?

Wirtschaftsverbände warnen vor Preiserhöhungen. «Die Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns sorgt in vielen Betrieben dafür, dass die Personalkosten rapide ansteigen und Preisanpassungen notwendig werden», sagt Friedemann Berg, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Da das Bäckerhandwerk in starkem Wettbewerb mit den Waren der Backindustrie stehe, komme es dann möglicherweise zu einer Veränderung des Kundenverhaltens und letztlich zu Umsatzrückgängen. «Kurzum: Immense Kostensteigerungen gefährden Betriebe und damit verbunden Arbeitsplätze.»

Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks erklärt, um die Mehrkosten zu kompensieren, wären Salons gezwungen, ihre Preise deutlich zu erhöhen. Dies könnte dazu führen, dass viele Kundinnen und Kunden auf Friseurbesuche verzichten oder sich der Schwarzarbeit zuwenden. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, warnte bei einer Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro sogar vor einem Ende für den Obst-, Gemüse- und Weinanbau in Deutschland.

Was sagen Wirtschaftsinstitute?

Vor allem bei konsumnahen Dienstleistungen wie in Restaurants, bei Friseuren oder im stationären Einzelhandel könnten die Preise angeheizt werden, sagt Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). «Wenn die Kunden nicht bereit oder in der Lage sind, die höheren Preise zu zahlen, wird die betreffende Leistung weniger nachgefragt. Das könnte wiederum Einfluss auf die Jobs haben und dazu führen, dass die Kunden auf den Konsum oder die Leistung verzichten müssen.»

Der Arbeitsmarktforscher Johannes Seebauer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt: «Für betroffene Betriebe ist zu erwarten, dass infolge der durch die Mindestlohnerhöhung höheren Lohnkosten die Unternehmensgewinne zurückgehen werden. Um dem entgegenzuwirken, sind Preiserhöhungen eine mögliche Anpassungsreaktion.» Ob dies möglich ist, hänge davon ab, wie empfindlich Konsumenten auf Preisveränderungen reagieren. Quelle: dpa







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